In Berlin demonstrieren die Leute eigentlich gar nicht gegen Corona-Maßnahmen und Regulierungen, sondern vielmehr für Ihr Recht, von der Komplexität der Welt überfordert zu sein.
Zitat eines unbekannten Autors
Widersacher gegen Impfungen , die es noch gar nicht gibt, verhärmte Rentner, die im Rausch ihrer Euphorie den Tag der Freiheit ausrufen, Menschen die tatsächlich glauben, die Maskenpflicht würde sofort abgeschafft nur weil sie es fordern. Eine Journalistin wird von einem wütenden Mob bepöbelt, sie hätte die Veranstaltung auflösen lassen. Rocker und Metalfans tragen die Flagge eines Reichs umher, in dem sie allein für ihre langhaarigen Frisuren Prügel bezogen hätten und in der die Impfpflicht längst durch die Exekutive durchgesetzt wäre. Thor Steinar Shirts und Pitbull Hoodies, umsäumt von Pegida -Schildern und irgendwo dazwischen sitzt eine junge Frau in Hippie-Klamotten mit einem Schild: „Deutschland braucht Jesus“.
Soll man sich eigentlich zu diesem kognitiv-dissonanten, kollektiven Versagen äußern?
Zum einen vermitteln diese Auftritte den Eindruck, dass alle wichtig sind. Die Sucht nach Anerkennung und Relevanz lässt Menschen vergessen, dass wir alle nur eine Ameise im Haufen sind.
In der Egozentrik des Zeitgeistes und mit der Fähigkeit jeden „Hirnfurz“ über Social Media öffentlich machen zu können übersehen wir, dass wir selber für Andere keinerlei Relevanz haben, zumindest außerhalb unseres inner Circle.
Und zum anderen erkennt man den Verlust eines demokratischen Miteinanders.
Wir reden uns Bedeutung und Freiheiten ein, die man in einer Gesellschaft nie hatte und als kleinster Teil eben dieser niemals haben kann. Wenn man demokratisch lebt und die Mehrheit will, dass eine Maske getragen werden soll, dann habe ich zum Teufel eine verfickte Maske zu tragen.
Das und nichts anderes bedeutet Demokratie.
Es ist auch vollkommen gleichgültig, ob da nun 20.000 Menschen öffentlich ihre Egozentrik zur Schau stellen oder eine Trillioniarde.
Entscheidend in einer Demokratie ist nicht gegen etwas zu sein, sondern für etwas. Man muss Kompromisse finden, Alternativen und Lösungskonzepte präsentieren, und evtl. auch kontrovers in den politischen Diskurs gehen. Das geht nur nach den Regeln der Gesellschaft, deren Demokratie man einfordert und die man mitgestalten will.
Genau deshalb wird die AfD langfristig hoffentlich keine politische Wirkkraft entfalten.
Es wird kaum etwas dabei rumkommen, wenn Impfgegner sich mit freiheitsliebenden Rentnern, Rechtspopulisten und fundamentalchristlichen Hippies zusammentun.
Wer nicht mal die Kompetenz besitzen zu verstehen, dass die Regulierungen Ländersache sind und nicht auf Bundesebene entschieden werden, eine Journalistin keine Demonstration auflöst, hat sicher auch nicht die Kompetenz seine Forderungen zu artikulieren.
Merkel allein öffnet keine Grenzen, die sowieso längst offen sind, Merkel erklärt auch keine Landtagswahlen für ungültig.
In ihrer Kompetenzlosigkeit verstehen sie nicht einmal, welche Kompetenzen ihnen fehlen.
Plötzlich ist jeder gelernte Schlosser Virologe, Klimaforscher, Analyst, Theologe, Jurist und Ethnologe. Dabei verstehen sie nicht einmal das Grundgesetz und dass dieses Grundgesetz unsere Verfassung ist. Die wir ja laut einiger „Reichsbürger“ nicht einmal haben!
Sie plappern das nach, was Rattenfänger ihnen aus eigennützigen Gründen und Profilneurosen vorbeten.
Getrieben von ihrer Angst und Überforderung davor, sich plötzlich ihrer Unwichtigkeit bewusst zu werden und den totalen Kontrollverlust zu erleben. Der nur darin begründet ist, dass sie sich vorher eine Kontrolle eingeredet haben, die sie nie hatten.
Wir leben in keiner „Meinungsdiktatur“. Noch leben wir in einer Demokratie, in der man unter bestimmten Voraussetzungen, die Gesellschaft mitgestalten kann.
Die Gefahr besteht, dass jene Menschen den Weg bereiten, tatsächlich wieder eine Diktatur heraufzubeschwören. Mich beschleicht zunehmend das Gefühl über die letzten 75 Jahre Frieden und Freiheit haben einige offenbar völlig aus den Augen verloren, welche Freiheiten wir tatsächlich haben und in welchem Wohlstand wir leben. Sie sehen es mittlerweile als selbstverständlich an:
Sie demonstrieren für Freiheit und merken nicht , dass sie genau dabei eine unserer größten davon bereits in Anspruch nehmen. Sie kommentieren in den Social Media über den Verlust von Meinungsfreiheit und merken nicht , dass sie genau dabei eine unserer größten davon bereits in Anspruch nehmen.
Sie glauben tatsächlich die demokratische Mehrheit stellen ihre kleinen Diktatoren und Propheten.
Vor lauter Freiheit haben sie vergessen, was Sklaverei, Knechtschaft, Zensur und Gefangenschaft tatsächlich bedeuten.