1. Liebe Gäste, liebe Genossen, liebe Nachbarn, liebe Freunde

Ich freue mich gemeinsam mit Euch diesen, für mich und meine Familie großen Tag erleben zu dürfen.

Leider ohne meine geliebte Mutti,

Hat Bethy doch zeitlebens den vorgelebten Werten und Überzeugungen gedient und die Geschichte als Mitglied der SPD sowie Abteilungsleiterin bei der Gewerkschaft gestaltet und mitgewirkt.

Dieses kleine Denkmal zu ehren meines Großvaters erfüllt mich mit Stolz

Aber auch mit tiefer Demut gegenüber der Courage und Tapferkeit dieser Menschen, die im Widerstand gegen das Naziregime, geleitet von ihrer Überzeugung, mit all ihren Werten, unter Einsatz ihres Lebens kämpften.

Gedenken wir heute gemeinsam Wilhelm Lübcke und den vielen Menschen, die im Kampf gegen die Nazis zu Unrecht verhaftet, deportiert oder ermordet wurden.

Danke das ihr alle hier zusammengekommen seid und zusammen mit meiner Familie diesen besonderen Tag feiert, den der Tag der Befreiung, wahrlich ein Grund zu feiern! Und im Hinblick auf die Geschehnisse, ein Anlass zu Mahnen, Frieden und Freiheit sind unser höchstes Gut!

Markiert der 8. Mai das Ende des Faschismus in Europa, das Ende des Mordens, das Ende der gewaltigen Gräueltaten der Nazis.

Dank möchte ich dir sagen lieber Günter, Günter Lübcke war es, der die Legung des Stolpersteins anregte und den Kontakt zwischen Holger Martens, dem Vorstand der Historiker-Genossenschaft und mir hergestellte. Danke Günter

Dank an Holger, schön dass du da bist und ein paar Worte zu den Stolpersteinen und der Historiker-Genossenschaft sagen wirst

Auch deine Frau Kirsten als Bürgerschaftsabgeordnete der SPD wird noch einige Worte finden, mein Dank auch an dich Kirsten.

Die Stolpersteine sind ein Projekt des Künstlers Gunter Demnig, daher geht mein Dank auch an ihn!

An dieser Stelle möchte ich kurz an das Schicksal der Familie Tennigkeit erinnern, ich freue mich Walter und seine Frau Magret begrüßen zu dürfen, Walter verlor seine Eltern durch die Nazis.

Auch freue ich mich Harm-Dieter und seine Frau Monika begrüßen zu dürfen, Harms Vater wurde ebenfalls durch die Nazis inhaftiert. 

Käthe und Richard Tennigkeit, sowie Fiete Hauto leisteten Widerstand und kämpften gegen das Terror-Regime, genau wie Willi Lübcke. So verbindet uns hier in Berne doch die gemeinsame Vergangenheit, aber auch gelebte Gegenwart und das Hoffen auf eine friedliche Zukunft.

Wir stehen hier zusammen mit Zeitzeugen, die dieses Unheil ertrugen, gut, dass ihr hier seid und uns daran erinnert, so etwas darf nicht wieder geschehen.

Die Menschen, die im Widerstand kämpften, ebneten den Weg in den Frieden, für unsere Demokratie, für die Freiheit als auch den Wohlstand, in dem wir heute leben.

Hier möchte ich Willi zitieren, der einst sagte: „Der Mensch ist gut, einzig die Umstände sind es die schlecht sind.“

Nun erst einmal ein paar Worte zu Wilhelm Lübcke:

Zeitlebens setzte er sich für bessere Lebensbedingungen für die Arbeiter ein, sein Engagement in den Gewerkschaften und in der Sozialdemokratie waren zutiefst von eigenen Erfahrungen und persönlichem erleben geprägt. Trotz Not und Elend, trotz Niederlagen im Kampf um mehr Rechte für Arbeiter und für mehr Demokratie, hat Wilhelm Lübcke nie den glauben an „das Gute“ im Menschen verloren

Geboren wurde er in Hamburg-Altona am 31.12.1882

Mit 18 Jahren trat er in den gewerkschaftlichen Schmiedeverband ein und engagierte sich ehrenamtlich. 1905 wurde er Mitglied der SPD.

1909 heiratete er Frieda Peters, die Tochter eines sozialdemokratischen Politikers.

Im Kaiserreich erwarb er das sogenannte Hamburgische Bürgerrecht und musste jährlich 1200 Reichsmark versteuern, um an der Bürgerschaftswahl teilnehmen zu können.

1915 wurde er im 1 WK eingezogen.

Mit dem 362 Infanterieregiment zog er gegen Frankreich in die Schlacht, doch es war nicht sein Krieg.

Er verlor beste Freunde.

Wilhelm hätte die armen Menschen in Frankreich lieber zum Freund als zum Feind gehabt. Er kam in englische Kriegsgefangenschaft.

Willi war Schmied und nach der Freilassung arbeitete er als Werkzeugschmied bei Nagel & Kaemp (heute besser bekannt unter Kampnagel).

Dieses bürgerliche Leben würde abermals jäh unterbrochen.

Während der nationalsozialistischen Schreckensherrschaft wurde unser Haus durchsucht und Bücher beschlagnahmt. Willi arbeitete in dieser Zeit an der illegalen Parteiorganisation der SPD in Hamburg mit. Er verteilte Zeitschriften und sammelte Geld für inhaftierte Genossen. Nach einem Jahr wurde die Gruppe, der er angehörte von der Gestapo verhaftet. Wilhelm Lübcke kam 7 Monate in U-haft ins Konzentrationslager Fuhlsbüttel. Er wurde tatsächlich in Ketten gelegt, geschlagen, gefoltert und wegen Vorbereitung zum Hochverrat zu dreieinhalb Jahren Zuchthaus verurteilt.

Am 3. März 1939 wurde er aus der Haft entlassen. Die Haft hatte ihm so schwer zugesetzt, dass er vorzeitig in Ruhestand gehen musste. Er starb am 27.01.1956 in Wintermoor in der Reha an den Folgen der Erkrankung.

Ab 1922 nutzten meine Großeltern ein Siedlungshaus hier in der Gartenstadt Hamburg im Meiendorfer Stieg. Vorher wohnten sie in einer Wohnung des Konsumvereins in Barmbek.

In der neu entstandenen Siedlung wohnten viele Nachbarn, die einer ähnlichen politischen Umgebung angehörten und auf eine solidarische Gesellschaft setzten. Viele waren Sozialdemokraten und engagierten sich im Widerstand.

Der mittlerweile durch die Nazis ersetzte/besetzte Vorstand der Genossenschaft schloss Willi nach der Verhaftung aus.

Seine Frau Frieda und Tochter Bethy mussten in eine Wohnung, ohne Garten, in die von Essen Straße ziehen, in die auch Willi nach der Freilassung aus dem Kola-Fu zog.

Nach der Zerstörung der Wohnung im Juli 1943 durch Bombenangriffe kam meine Familie bei Verwandten im Meiendorfer Stieg notdürftig unter.

Meine Mutter erzählte mir:

Im ehemaligen Haus wohnte mittlerweile Konditor Palm, der auf Grund seines schlechten Gewissens sonntags öfter eine Torte über den Zaun reichte, was in der „schlechten Zeit“ märchenhaft war, Willi saß dann mit dünnen Kaffee am Tisch und sang:“ Oh du schwarzbrauner Kaffee, oh wie Tee bist du heut.“ während er ein Stückchen feinster Torte genoss.

1947 nach dem Krieg wies uns unsere Genossenschaft dieses Haus hier zu.

Die Gartenstadt Hamburg mit der unter Denkmalschutz stehenden Siedlung Berne ist eben wahrlich ein Stück Geschichte.

Zusammen sind die Bewohner der Genossenschaft bis heute noch in den Vereinen der Arbeiterbewegung wie z.B. Arbeiterwohlfahrt, Naturfreunden tätig. Meine Kinder, Willis Urenkel also gingen selbstverständlich in den AWO Kindergarten, ebenso spielen und turnen viele Kinder wie auch mein Sohn, sowie Erwachsene im Arbeitersportverein TuS Berne.

Dank der Vorarbeit, die unsere Eltern und Großeltern leisteten, können die mittlerweile etablierten Gewerkschaften sich für bessere Arbeitsbedingungen und Löhne, für Mitbestimmung, oder Arbeitszeitverkürzungen und teilweise auch für weitergehende gesellschaftliche Veränderung einsetzen, auch durch Mitwirkung bis hin in die Politik. Das ist Lobbyismus in die richtige Richtung

Was ich aus der bewegten Geschichte meiner Familie lernte?

Entscheidend in einer Demokratie ist nicht gegen etwas zu sein, sondern für etwas. Für etwas zu stehen, für Werte, eine Meinung haben und sie frei äußern zu können.

Man muss Kompromisse finden, Alternativen oder Lösungskonzepte präsentieren, auch gern mal kontrovers in den politischen Diskurs gehen,

aber das geht nur nach den Regeln der Gesellschaft, deren Demokratie man einfordert und die man mitgestalten will.

Demokratie ist nur ein Wort, solang man sie nicht lebt

 

Eine Frage beschäftigt mich schon lange: Kann ich stolz sein ein Deutscher zu sein?

Wenn man sich anschaut, welche Strapazen z.B. Kriegsflüchtlinge auf sich nehmen, um hier in Sicherheit leben zu dürfen, dann weiß man, dass sie dies tun, weil sie wirklich in Gefahr sind und es für sie und ihre Familien um alles geht.“ 

All diese Strapazen nehmen einige Menschen auf sich, um Deutsche zu werden!

Worauf genau soll klein Franky jetzt stolz sein? Ich bin nur zufällig hier geboren, bin nicht auf einem rostigen Kahn über tosende Wogen und Kawenzmänner gekommen, hab keine 500 km Fußweg hinter mich bringen müssen.

Und doch! Natürlich bin ich stolz! Eben auf die Verdienste meiner Familie, auf die politischen Aktivitäten, den Kampf meines Großvaters für die Rechte der Arbeiterklasse und gegen die Nazis. Das Vermächtnis meiner geliebten Mutter, ihr immerwährender Einsatz für die Schwachen.

Es ist einfach Riesen Glück in diesem Land geboren zu sein und eine Ehre hier in Deutschland, in unserem beschaulichen Berne leben zu dürfen!

Opa Willi sagte immer: „Wenn es das Paradies gegeben hat, muss es hier in der Nähe gewesen sein!“

Umso wichtiger ist es, sich unserer Verantwortung für Frieden und Freiheit bewusst zu bleiben, die Stolpersteine sollen uns als Mahnung dienen

gerade auch im Hinblick auf die aktuelle Krise in der Ukraine, den völkerrechtswidrigen Krieg den Putin gegen Unschuldige führt.

George Shaw ein irischer Dramaturg sagte: „Krieg ist ein Zustand, bei dem Menschen aufeinander schießen, die sich nicht kennen, auf Befehl von Menschen, die sich wohl kennen, aber nicht aufeinander schießen.“

Wir dürfen niemals zulassen das dieser wertvolle Nachlass verloren geht, wir müssen ihn pfleglich behandeln, für die nächsten Generationen bewahren, es bleibt ein Geschenk!

Wir sind in der Schuldigkeit!

Man kann es nicht oft genug wiederholen: Was unsere Großeltern erleben mussten, dürfen wir nie wieder zu lassen!

Wir müssen einstehen für Einigkeit und Recht und Freiheit, sie sind des Glückes Unterpfand!

Liebe Gäste, liebe Genossen, liebe Nachbarn, liebe Freunde im Anschluss möchte ich das Wort weiter reichen, diese mächtige Waffe, das Schwert der Lingua geht an:

Holger Martens, stellvertretender Vorsitzender der Arbeitsgemeinschaft ehemals verfolgter Sozialdemokraten Hamburg (AvS), Vorsitzender der Historischen Kommission, sowie stellvertretender Bundesvorsitzender der AvS

Im Anschluss folgten noch ein paar Worte von Kirsten Martens, Bürgerschaftsabgeordnete der SPD und u.a. tätig im Ausschuss für Kultur und Medien.